Trauger Groh
Farmen ohne Grenzen (Artikel aus info3 11/99)
Trauger Groh gilt als einer der Väter der CSA-Bewegung (Community Supported
Agriculture, s.u.) in den USA. Nach dem zwangsweisen Verkaufes des Hofes im
Jeverland, der dem geplanten Bau eines Militärflugplatzes weichen musste
und den er zusammen mit seinem Bruder bewirtschaftet hatte, kam er Ende der
sechziger Jahre auf den Buschberghof, wo der Verkaufserlös in die neugegründete
Landbau-Forschungsgesellschaft eingebracht wurde. Siebzehn Jahre später
lebte er bereits in den USA, wo er die erste CSA-Farm gründete, In allen
Veröffentlichungen, die seinen Namen tragen, ist immer von einer Vision
einer Landwirtschaft der Zukunft die Rede. Am bekanntesten ist vielleicht sein
Buch Farms of Tomorrow", das er zusammen mit Stephen McFadden schrieb.
(Groh, T. und Mc Fadden, S., Farms of Tomorrow - Community Supported Farms -
Farm Supported Communities, Biodynamic Farming and Gardening Association, Inc.,
Kimberton.1990)
Eine deutsche Übersetzung ist Ende 2013 unter dem Titel „Höfe der Zukunft″ im Verlag Lebendige Erde, Darmstadt erschienen.
Höfe
der Zukunft
Manuskript
einer Rede , die er am 29.10.1993 in London gehalten hat. Hier stellte er das
Programm dar, das er selbst in den USA verwirklichte, aber auch auf dem Buschberghof
ohne sein persönliches Mitwirken lebendig werden konnte.
Unsere Nahrung stellt einen kleinen Ausschnitt aus
der uns umgebenden Umwelt dar. Diese kann sehr wirkungsvoll in Form von kleinen
landwirtschaftlichen Organismen als einzelne gesunde Biotope gestaltet werden.
Nur auf diese Weise können wir zu gesunder, lebensspendender Nahrung gelangen.
Diese Nahrung wiederum kann man zu geringen, mittleren oder hohen Kosten erhalten,
je nachdem, wie wir als Gemeinschaft mit der Natur in kleinen Höfen kooperieren.
Die Natur produziert und reproduziert ohne jede Kosten, wenn man es in der richtigen
Art und Weise organisiert. Der Mensch ist der einzige fast einzige
Kostenfaktor. Dies läßt sich in jedermanns Hintergarten erproben.
Das physische überleben des russischen Volkes, ob unter Kommunismus oder
einer beginnenden Marktwirtschaft, hängt weitgehend von Hausgärten
ab, die die meisten Familien besitzen.
Marktwirtschaft in der Landwirtschaft führt weder zu gesunden Hoforganismen
noch zu gesunden, lebensspendenden Lebensmitteln, wie die letzten 120 Jahre
der landwirtschaftlichen Entwicklung deutlich gezeigt haben. Die Idee, daß
Profiterwartung in Verbindung mit Wettbewerb auf dem Markt Qualitätsprodukte
erzeugt, hat sich in der Landwirtschaft nie bestätigt.
Worin unterscheidet sich industrielle Produktion von der Landwirtschaft?
Wenn man ein Auto produziert, dessen Räder nach den ersten 10.000 km abfallen,
müssen alle betreffenden Autos zurückgerufen werden und der Schaden
beglichen werden.
Wenn hingegen die Lebensmittel keine lebenserhaltenden Qualitäten besitzen
und mit chemischen Rückständen behaftet sind, und man dadurch 30 Jahre
später vielleicht von chronischen Krankheiten geschwächt ist, kann
man diese Tatsache kaum bis zur Ernährung und Umgebung seiner Kindheit
zurückverfolgen. In der modernen Landwirtschaft bedeutet der Profit des
Einzelnen meistens für alle anderen Verlust. Wenn man einen Wald geerbt
hat und die Bäume rodet, ist der eigene Gewinn zugleich Verlust für
alle anderen. Der fortdauernde Abtrag der Humusreserven der Erde kommt einer
schrittweisen Rodung gleich.
Um gesunde Lebensmittel zu produzieren, muß man die Frage stellen, unter
welchen Umweltbedingungen sich jede Art, Pflanze oder Tier auf die gesündeste,
artgerechteste Weise entwickeln und wie Pflanzenarten und Haustiere sich gegenseitig
positiv beeinflussen. Die Fragestellung kann zu einem grundlegenden Konzept
für eine ökologisch ausgewogene Landwirtschaft führen. Dieses
Konzept soll hier in drei Punkten charakterisiert werden:
Dieses letzte Ziel, das erreicht werden kann und muß, ist die Grundlage
eines fortdauernden menschlichen Lebens auf der Erde und des Schutzes unserer
Umwelt.
Es gibt viele Details, die bei den Höfen der Zukunft zu berücksichtigen
sind. Einige davon sollen hier noch erwähnt werden.
Für die Höfe der Zukunft ist es nötig, die Beziehung
zwischen Mensch und Boden neu zu überdenken und Wege zu finden, vererbbare
Eigentumsrechte in langfristige Bodennutzungsrechte umzuwandeln. Wir müssen
die Beleihung von Land überwinden durch persönliche und gemeinschaftliche
Kreditgarantien.
Obwohl bei rechtem Licht besehen Land- und Forstwirtschaft die einzigen produktiven
Teile der Wirtschaft sind, müssen wir dennoch berücksichtigen, daß
sie teure Investitionen in Maschinen und Gebäude nicht tragen können.
Deshalb muß man soviel wie möglich selbst machen mit der Hilfe der
Gemeinschaft und möglichst wenig von außen zukaufen. Und nochmal:
Folgt der Führung des Geistes und nicht finanziellen Beweggründen
und ihr werdet wahrhaft produktiv sein.
Wenn wir die Natur mit einem neuen Sinn für Wahrheit betrachten, wird sie
klar und großzügig antworten, denn sie ist keine geist- und seelenlose
Anhäufung von Molekülen, und wenn wir nach einem solidarischen und
brüderlichen Geist unter den Menschen streben, werden wir in der Lage sein,
die neuen sozialen Formen der Höfe der Zukunft zu schaffen.
Farmen ohne Grenzen (Artikel aus info3 11/99)
Judith Krischik
Community Supported Agriculture Farmen ohne Grenzen
In den USA gibt es niemanden, der sie nicht kennt: die Community Supported Farms,
kurz CSAs genannt. Dabei ist die immer schneller wachsende Bewegung, die auf
dem Gemeinschafts-Prinzip beruht, gerade einmal 15 Jahre alt. Der biologisch-dynamische
Landwirt Trauger Groh hat entscheidend an ihrer Entstehung mitgewirkt.
Nichts gibt es in Amerika so im Überfluss wie Land; und der Amerikaner
besitzt gern eigenes Land. Doch die Zeiten sind längst vorbei, wo er auch
wusste, was er mit diesem Land anfangen soll. Entfernt man sich von den Städten
und Vorstädten, trifft man auf für europäische Verhältnisse
große, fast leere Grundstücke mit einem Wohnhaus und einer Garage
in der Mitte umgeben von einigen Bäumen, Büschen und Blumen. Diesen
Landüberschuss nutzt eine neue Bewegung für sich aus: die Community
Supported Agriculture (CSA). Junge und mittellose, aber idealistische Gärtner
und Farmer haben seit Mitte der achtziger Jahre damit begonnen, vernachlässigten
Boden zu bewirtschaften. Ihnen kommt es dabei nicht aufs Geldverdienen an, sondern
darauf, für Freunde, Familien in der Umgebung und sich selbst gesundes
ökologisches oder biologisch-dynamisches Gemüse anzubauen. Häufig
geschieht das auf dem Land einer dieser Familien, die froh ist, wenn es kultiviert
wird und nicht brach liegen muss.
Wenn jemand, der eine CSA gründen möchte, zu mir kommt und mich
um Rat fragt, macht. Trauger Groh zu Beginn seines Workshops auf der diesjährigen
Herbsttagung der Biodynamic Farming and Gardening Association in Spring Volley,
New York, deutlich, frage ich ihn, ob er auch Freunde in der Umgebung
hat. Ohne Freunde funktioniert keine CSA; ohne Vertrauen läuft nichts.
Das heißt konkret, dass sich Familien zu Beginn des Jahres bereit erklären,
die kalkulierten Ausgaben des Betriebes die finanziellen Bedürfnisse
des Gärtners inbegriffen zu decken, lange bevor sie das erste Gemüse
erhalten. Auch kann niemand vorhersehen, was die Saison bringen wird. Am Ende
gibt es vielleicht gar keine Karotten, die man sich so sehnlichst wünschte,
weil es einfach kein gutes Karottenjahr war.
Einige Initiativen fangen mit vielleicht zehn, zwanzig oder dreißig Familien
an, doch damit sich das Unternehmen trägt, braucht es durchschnittlich
fünfzig Familien. Nach oben ist keine Grenze gesetzt. Den Rekord bricht
zur Zeit die erfolgreiche biologisch-dynamische Roxbury Farm im Hudson River
Valley in New York Sie hat an die 600 CSA-Mitglieder. Ausgabestellen an drei
verschiedenen Orten sichern die ungehinderte Auslieferung an ihre Mitglieder.
Für ihre Familien in Manhattan nimmt sie gern eine zweistündige Autofahrt
auf sich. So lief es zumindest noch bis vor kurzem. Doch haben private Veränderungen
unter den Betreibern ihr Weiterexistieren in Frage gestellt.
Eine Bewegung ohne Form und Regeln
Der Beitrag einer Familie liegt irgendwo zwischen 400 und 900 Dollar pro Jahr;
jeder weiteren Art von Unterstützung und Mitarbeit sind keine Grenzen gesetzt.
Die Mitarbeit ist aber auch kein Muss. Manchmal entsteht auf Initiative der
Familien ein Laden, der weiter Produkte neben den eigenen anbietet. Es gibt
Hoffeste, Newsletters und vieles mehr. Man trifft sich ein- oder zweimal in
der Woche beim Abholen seiner Lebensmittel. Was aus einem recht egoistischen
Motiv heraus begann, nämlich dem Wunsch nach gesunder Ernährung für
die eigene Familie, hat eine neue Form der Gemeinschaft entstehen lassen.
Sowenig wie es eine feste Struktur für die Einzelinitiative gibt, so wenig
gibt es auch eine Struktur für die Bewegung, keine übergreifende Organisation
etwa zählt oder registriert die CSA-Farmen. Die Universität von Massachusetts,
die sich in einem sogenannten Extension-Programm der jungen Bewegung annimmt,
schätzte die Zahl der CSAs im Januar 1999 auf 1.000. Andere Quellen sprechen
von 500 oder 700. Doch niemand weiß, wie viele es wirklich sind. Eine
andere Zahl spricht von mittlerweile 100.000 Haushalten, die in Nordamerika,
Kanada eingeschlossen, durch CSAs versorgt werden. Die. knapp fünfzehn
Jahre alte Bewegung hat sich wie ein Lauffeuer ausgebreitet und wächst
ständig. Sie ist zu einer ernsthaften Konkurrenz für jeden Bioladen
geworden, nicht nur, weil sie durch die Umgehung des Zwischenhändlers preislich
attraktiver ist. Hier und da kommt es vor, dass die Karotten,die der eine an
der Ostkiste zuviel hat, gegen Zitronen von einer anderen CSA aus Kalifornien
getauscht werden. Für einige spiegelt sich in diesem Verknüpfen von
Initiativen eine Zukunftsperspektive für die CSA-Bewegung wider; andere
halten es schlicht für einen Verrat an der ursprünglichen Idee, die
die regionale Selbstversorgung zum Ideal, erhebt.
Trauger Groh war von Anfang an mit der Community Supported Agriculture verbunden.
Als er Anfang der achtziger Jahre von Deutschland in die USA umsiedelte, gründete
er kurze Zeit später die Temple-Wilton Community Farm in New Hampshire.
In der Waldorfschule von Wilton hatte sich ein Kreis von interessierten Familien
gebildet, die den Neuankömmling baten, biologisch-dynamisches Gemüse
für sie anzubauen.
Trauger Groh: Ich habe ihnen damals geantwortet: Ich kann das für
euch nicht anbauen; der Boden ist hier so schlecht. Ich weiß nicht, was
da wachsen kann. Außerdem kann ich mich nicht auf euch verlassen, denn
wenn ihr keine Zeit habt, geht ihr in den Supermarkt und ich sitze hier mit
meinem Zeug. - Wir haben uns dann mehrere Male getroffen und nach einigen
Sitzungen konnte ich ihnen sagen, was das erste Jahr kosten würde. ,Wenn
ihr mit das garantieren könnt, fange ich an, war mein Vorschlag.
Wer war zuerst?
Das war der Startschuss für die Temple-Wilton Community Farm. Im ersten
Jahr machten etwa fünfzig Familien mit; heute sind es an die hundert. Ohne
voneinander zu wissen, begann zur gleichen Zeit einige hundert Meilen südlich,
in Great Barrington, Massachusetts, eine ähnliche Initiative, die Indian
Line Farm. Sie ist mit dem Namen von Robyn Van En (gestorben 1997) verbunden,
die den Begriff Community Supported Agriculture prägte. Wenn
Robyn Van En sich auch nicht für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise
begeistern konnte, so geht auch ihre Initiative auf anthroposophische Wurzeln
zurück. Der junge Gärtner Jan Vander Tuin hatte von einem Europaaufenthalt
das Konzept des Gemüseabonnements mit in die Staaten zurückgebracht,
das Robyn Van En voll Begeisterung aufnahm. Trauger Groh ist sich ziemlich sicher,
dass er dieses in der biologisch-dynamischen Gärtnerei von Peter Berg in
Lörrach kennengelernt haben muss.
Robyn Van En hatte wenig Glück mit ihrer eigenen Initiative, die verschiedene
Metamorphosen durchlief Sie war jedoch genau die richtige Persönlichkeit,
um den neuen Impuls voller Energie und Enthusiasmus von Mund zu Ohr durch die
Lande ziehend zu verbreiten.
Trauger Groh dagegen hat mit seinem vor zehn Jahren erschienenen Buch Farms
of Tomorrow dazu beigetragen, den Gedanken einer an der Gemeinschaft orientierten
Landwirtschaft bekannt zu machen.
Es ist eigentlich völlig belanglos, wer zuerst von uns da war,
meint Trauger Groh, der sich während unseres Gespräches in einem knarrenden
Schaukelstuhl sitzend ab und zu eine Prise Schnupftabak zu Gemüte führt.
Meiner Meinung nach ist die Bewegung ganz von allein entstanden. Die Zeit
war einfach reif dafür. Ich hatte andere Wurzeln als Robyn Van En. In Deutschland
hatte ich Erfahrungen gesammelt mit ,freiem Boden, partnerschaftlicher
Bewirtschaftung und dem Hereinnehmen von therapeutischen und erzieherischen
Aufgaben in einen Hoforganismus.
In seiner Heimat arbeitete Trauger Groh zuerst auf dem Hof seines Bruders, bevor
er in den sechziger Jahren das Abenteuer Buschberghof in Fuhlenhagen bei Hamburg
begann. Der Landwirt des Buschberghofes Carl-August Loss hatte ihn um Hilfe
gebeten, weil er seinen großen Hof nicht mehr allein bewirtschaften konnte.
Der alleinige Besitzanspruch auf den Hof stand jedoch einer partnerschaftlichen
Bewirtschaftung entgegen. Da entschloss sich Carl August Loss, seinen Hof einer
gemeinnützigen Gesellschaft in Form einer Schenkung zu übergeben,
die den Partnern ein unbefristetes Nutzungsrecht einräumte.
Das löste beim Bauernverband einen Sturm aus. In den sechziger Jahren war
es einfach noch ein Unding, einen unverschuldeten Hof, der gut und gerne eine
Million DM wert war, einfach so abzugeben. Die Beteiligten landeten vor Gericht.
Das Verfahren bescherte ihnen in den nächsten drei Jahren Kosten in Höhe
von einer Viertel Million, bevor sich diese ungewöhnliche Schenkung durchsetzen
konnte. Das Ergebnis war ein von drei Landwirten partnerschaftlich bearbeiteter
Hof, auf dem das Risiko geteilt wurde.
Mit Wilhelm-Ernst Barkhoff (1916-1994), dem erfindungsreichen Sozialgestalter
und Gründer der Gemeinschaftsbank in Bochum und Vater des anthroposophischen
Bankwesens schlechthin, arbeiteten sie später in den siebziger Jahren ein
vertiefendes Konzept aus; daraus entstand die noch heute existierende Landbauforschungsgesellschaft
Buschberghof. Freier Boden, die Abschaffung des Lohnverhältnisses und die
Öffnung des Hofes für andere Menschen gehörten von Anfang an
zu ihren drei Grundprinzipien. Mit Wilhelm-Ernst Barkhoff kam nun die Landwirtschaftsgemeinschaft
hinzu, die die Liquidität des Hofes über die Gemeinschaftsbank sicherte.
Außerdem entstand das Modell der Defizitdeckung durch ihre Mitglieder.
Dies führte zu Schwierigkeiten, als dann tatsächlich einmal um Weihnachten
herum ein Defizit auftrat.
Aber das war damals nicht so tragisch, das gehörte alles mit dazu,
erinnert sich Trauger Groh. Es ging uns doch darum, mutig und moralisch
phantasievoll neue Zukunftsmodelle in die Welt zu stellen. Bei der Verwirklichung
von freiem Boden waren wir wirklich die ersten; unmittelbar danach kamen der
Dottenfelderhof und die Bauckhöfe, und er ergänzt fast stolz,
dass er in seiner 43-jährigen Tätigkeit als Landwirt nie einen Quadratmeter
Boden besessen hat.
Die Zeit in Deutschland war für ihn dann abgelaufen. Während einer
Vortragsreise durch die USA lernte er seine zweite Frau kennen, die Obstanbauerin
Alice Bennett. Auf ihrer kleinen Farm und auf weiteren benachbarten Parzellen
entstand die berühmt gewordene Temple-Wilton Community Farm. Doch zuvor
hatte Trauger Groh noch ein Schlüsselerlebnis, wie er es bezeichnet.
Im Camphill-Dorf Copake traf er auf ein ungewöhnliches Modell zur Unterstützung
der Landwirtschaft. Der dortige Landwirt erzählte ihm, dass er immer so
frustriert gewesen sei, da die Haushalte des Dorfes über Einkäufe
beim Hof dessen Kosten nicht deckten, insbesondere nicht die Kosten von notwendigen
Investitionen. Auf seine Initiative hin habe man sich dann darauf geeinigt,
dem Hof pro Kopf der Dorfbewohner einmal im Monat eine bestimmte Summe auszuzahlen.
Trauger Groh: Als er mir das erzählte, hielt er hier kurz an und
meinte dann zu mir: ,Und seitdem wächst es bier viel besser. Er war
auf einmal frei, das Richtige zu tun. Ich bin dann den Gedanken nicht mehr losgeworden,
ob sich Menschen, die nicht in einer so engen Gemeinschaft wie einem Camphill-Dorf
leben, nicht auf ähnliche Weise zusammenschließen könnten.
Eine Bank müsste her
Es ist schon erstaunlich, was der CSA-Impuls in so kurzer Zeit alles in Bewegung
gebracht hat. Während des Workshops in Spring Valley bedankt sich die Betreiberin
einer CSA aus Ann Arbor bei Trauger Groh dafür, dass er ihnen vor zwölf
Jahren bei dem Aufbau ihrer CSA geholfen habe. Jedoch hätten sie und ihr
Mann sieben Jahre lang täglich zu ,ihrem Land pendeln müssen,
da nicht genügend Geld vorhanden gewesen wäre, um dort ein eigenes
Haus zu bauen. Doch dann hätten ihre Mitglieder auf einmal begonnen, Geld
für sie zu sammeln, was ihnen ein Haus vor Ort ermöglichte.
Der Godfather der CSA-Bewegung, wie Trauger Groh sich mit einem
Augenzwinkern bezeichnet, ist auch einer ihrer großen Kritiker. Seiner
Meinung nach sind die Community Supported Farms langfristig keine Lösung
für eine Landwirtschaft der Zukunft: Sie ist keine gesunde Bewegung,
und bezieht sich damit auf ihre soziale und rechtliche Struktur. Für die
jungen, engagierten Landwirte ist auf lange Sicht nicht gesorgt. Kaum jemand
denkt an eine Kranken- oder Altersversicherung, wenn er in seinen zwanziger
Jahren eine CSA beginnt. Den Staat interessiert das noch weniger im Gegensatz
etwa zu Deutschland, wo beide Versicherungen obligatorisch sind.
Die Frage des Bodeneigentums betreffend sind dagegen erste Lösungen sichtbar.
Da der CSA- Betreiber nur in den seltensten Fällen selbst das Land besitzt,
das er bewirtschaftet, sind an manchen Orten sogenannte Land Trusts entstanden,
die das ihnen überführte Land gemeinnützig verwalten. Aber es
sei immer noch sehr schwierig, so Trauger Groh, die Eigentümer dazu zu
bewegen, ihr Land zu verschenken. Im sozialleistungsschwachen Amerika ist Land
für viele der wichtigste Garant für ihre Altersversorgung.
Es ist keine Frage, dass hier noch eine Bank fehlt, die in Form von Landwirtschaftsfonds
bereit ist, CSAs zu unterstützen. Wir kommen kurz auf Japan zu sprechen,
wo nun schon seit etwa dreißig Jahren CSA-artige landwirtschaftliche Betriebe
existieren. Dort spricht man von bereits 200.000 Haushalten, die CSA-versorgt
sind. Von dem Beitrag, den ein Mitglied in Japan an seine CSA zahlt, geht ein
kleiner Teil In einen Fonds ein, der den Landwirten zinsfreie Darlehen zur Verfügung
stellt.
Die Japaner haben sich auch schon für Trauger Groh interessiert und vor
einigen Jahren eine kleine Delegation zu ihm in die USA geschickt. Seitdem sein
Buch ins Japanische und Koreanische übersetzt ist, hofft der Reiselustige,
seine Einladung nach Japan bald einmal wahrnehmen zu können. Was in Nordamerika
und Japan funktioniert, hält Trauger Groh im Blick auf Deutschland und
Europa oft für nicht durchführbar. Das hat seiner Meinung nach einen
geisteswissenschaftlichen Grund.
Trauger Groh: In Mitteleuropa reagiert man auf alles mit der Frage: Ist
das auch richtig? und vergisst, dass es im Sozialen kein richtig oder
falsch gibt. Denn das Soziale ist ,manmade. Die Amerikaner kennen das
überhaupt nicht. Hier im Westen stellt man sich die Frage nach Leben oder
Tod. Wenn etwas Leben hat, dann muss es auch richtig gewesen sein. Das ist grundsätzlich
eine andere Einstellung. Die Amerikaner sind viel pragmatischer und eher bereit,
einfach mal etwas auszuprobieren und zu sehen, was dabei herauskommt. Im Osten
ist das wieder anders. Kommt man nach Russland, trifft man dort auf die Frage
nach Gut oder Böse. Das macht Dostrojewski so schön deutlich.
Auch in Bezug auf Russland spricht Trauger Groh aus eigener Erfahrung. Seit
mehreren Jahren besucht er regelmäßig die Landwirtschaftliche Universität
in Michurinsk. Die von einer amerikanischen Organisation gesponserte Lehrtätigkeit
in Russland, aber auch ein Workshop wie der auf der biologisch-dynamischen Tagung
entsprechen viel eher dem, wie sich der 67-jährige Landwirt seine Arbeit
heute vorstellt. Ich mag mich nicht mehr bücken und Unkraut jäten,
bekennt er zum Schluss unseres Gespräches und berichtet von einer geplanten
Reise im Frühjahr nächsten Jahres, die ihn zu acht Waldorfschulen
im Mittleren Westen führen wird. Dort wurde er gebeten, zu zeigen, wie
man praktische Arbeit im Lebendigen an Boden, Pflanze und Tier für die
gesunde Ernährung der Schüler einsetzen kann. Das ist schon
immer mein größtes Anliegen gewesen.