Trauger Groh


Höfe der Zukunft

Farmen ohne Grenzen (Artikel aus info3 11/99)


Trauger Groh gilt als einer der Väter der CSA-Bewegung (Community Supported Agriculture, s.u.) in den USA. Nach dem zwangsweisen Verkaufes des Hofes im Jeverland, der dem geplanten Bau eines Militärflugplatzes weichen musste und den er zusammen mit seinem Bruder bewirtschaftet hatte, kam er Ende der sechziger Jahre auf den Buschberghof, wo der Verkaufserlös in die neugegründete Landbau-Forschungsgesellschaft eingebracht wurde. Siebzehn Jahre später lebte er bereits in den USA, wo er die erste CSA-Farm gründete, In allen Veröffentlichungen, die seinen Namen tragen, ist immer von einer Vision einer Landwirtschaft der Zukunft die Rede. Am bekanntesten ist vielleicht sein Buch „Farms of Tomorrow", das er zusammen mit Stephen McFadden schrieb. (Groh, T. und Mc Fadden, S., Farms of Tomorrow - Community Supported Farms - Farm Supported Communities, Biodynamic Farming and Gardening Association, Inc., Kimberton.1990)

Eine deutsche Übersetzung ist Ende 2013 unter dem Titel „Höfe der Zukunft″ im Verlag Lebendige Erde, Darmstadt erschienen.


Höfe der Zukunft
Manuskript einer Rede , die er am 29.10.1993 in London gehalten hat. Hier stellte er das Programm dar, das er selbst in den USA verwirklichte, aber auch auf dem Buschberghof ohne sein persönliches Mitwirken lebendig werden konnte.


Unsere Nahrung stellt einen kleinen Ausschnitt aus der uns umgebenden Umwelt dar. Diese kann sehr wirkungsvoll in Form von kleinen landwirtschaftlichen Organismen als einzelne gesunde Biotope gestaltet werden. Nur auf diese Weise können wir zu gesunder, lebensspendender Nahrung gelangen. Diese Nahrung wiederum kann man zu geringen, mittleren oder hohen Kosten erhalten, je nachdem, wie wir als Gemeinschaft mit der Natur in kleinen Höfen kooperieren.

Die Natur produziert und reproduziert ohne jede Kosten, wenn man es in der richtigen Art und Weise organisiert. Der Mensch ist der einzige – fast einzige – Kostenfaktor. Dies läßt sich in jedermanns Hintergarten erproben. Das physische überleben des russischen Volkes, ob unter Kommunismus oder einer beginnenden Marktwirtschaft, hängt weitgehend von Hausgärten ab, die die meisten Familien besitzen.

Marktwirtschaft in der Landwirtschaft führt weder zu gesunden Hoforganismen noch zu gesunden, lebensspendenden Lebensmitteln, wie die letzten 120 Jahre der landwirtschaftlichen Entwicklung deutlich gezeigt haben. Die Idee, daß Profiterwartung in Verbindung mit Wettbewerb auf dem Markt Qualitätsprodukte erzeugt, hat sich in der Landwirtschaft nie bestätigt.

Worin unterscheidet sich industrielle Produktion von der Landwirtschaft?
Wenn man ein Auto produziert, dessen Räder nach den ersten 10.000 km abfallen, müssen alle betreffenden Autos zurückgerufen werden und der Schaden beglichen werden.
Wenn hingegen die Lebensmittel keine lebenserhaltenden Qualitäten besitzen und mit chemischen Rückständen behaftet sind, und man dadurch 30 Jahre später vielleicht von chronischen Krankheiten geschwächt ist, kann man diese Tatsache kaum bis zur Ernährung und Umgebung seiner Kindheit zurückverfolgen. In der modernen Landwirtschaft bedeutet der Profit des Einzelnen meistens für alle anderen Verlust. Wenn man einen Wald geerbt hat und die Bäume rodet, ist der eigene Gewinn zugleich Verlust für alle anderen. Der fortdauernde Abtrag der Humusreserven der Erde kommt einer schrittweisen Rodung gleich.

Um gesunde Lebensmittel zu produzieren, muß man die Frage stellen, unter welchen Umweltbedingungen sich jede Art, Pflanze oder Tier auf die gesündeste, artgerechteste Weise entwickeln und wie Pflanzenarten und Haustiere sich gegenseitig positiv beeinflussen. Die Fragestellung kann zu einem grundlegenden Konzept für eine ökologisch ausgewogene Landwirtschaft führen. Dieses Konzept soll hier in drei Punkten charakterisiert werden:

  1. Vielfalt : Aus einer großen Vielfalt heraus produziert die Natur am meisten. Je höher die Artenzahl in einem bestimmten Gebiet (Hof) ist, desto größer ist die Produktivität.
  2. Harmonie: Die größtmögliche Artenvielfalt kann nur in Harmonie der einzelnen Arten miteinander existieren.
  3. Geschlossenheit: Die Harmonie, die auf diese Weise hergestellt wurde, kann nur erhalten und die Anpassung an die örtlichen Bedingungen nur erzielt werden, wenn aus dem Hofbiotop größere Substanzimporte wie Futtermittel, Mist, Düngemittel und Pestizide herausgehalten und ausgeschlossen werden.

Die markt- und profitorientierte Form der modernen Landwirtschaft mit ihrem hohen Import von Chemikalien und Fremdfutter hat in die entgegengesetzte Richtung geführt. An die Stelle der Vielfalt trat Monotonie (meist nur zwei oder drei Feldfrüchte und/oder nur eine einzige Haustierart auf jedem Hof). Anstelle von Harmonie trat Disharmonie und Unausgewogenheit auf (Auswahl der Feldfrüchte und Tiere nach Gewinnerwartung und nicht als Teil eines größeren harmonischen Ganzen). Anstelle von Geschlossenheit und Anpassung an das Hofbiotop kam der Import von großen Mengen Düngemitteln, Pestiziden und Futtermitteln aus der ganzen Welt. Aus makroökonomischer Sicht ist dieser Trend völlig unwirtschaftlich. Die Konsequenzen hiervon sind: Massenproduktion mit fallenden Preisen, Verschmutzung der Umwelt, Verschuldung der Höfe.

Was können Bauern und Verbraucher, Umweltschützer und jeder, der darüber nachdenkt, in Bezug auf die Zukunft der Erde und der Menschheit tun, um die Höfe der Zukunft zu schaffen, die sich ausschließlich an Qualität und echter Wirtschaftlichkeit ausrichten?
Sie müssen sich an einer geistig-kulturellen Idee orientieren, die zugleich höchst wirtschaftlich ist. Diese Idee ist oben mit den Grundgedanken von Vielfalt, Harmonie und Geschlossenheit charakterisiert worden. Der Geist eint die Menschen, wirtschaftliche Interessen nach persönlichem Profit treibt sie auseinander. Und sie müssen gemeinsam das Produktionsrisiko tragen, was möglicherweise bedeuten kann, die Produktion vorzufinanzieren. Diese zwei Elemente kommen in allen Gemeinschaftshöfen oder von Gemeinschaft unterstützten Höfen zusammen.

Auf allen Gemeinschaftshöfen ist das Streben nach Qualität offensichtlich. Ich kenne keinen einzigen solchen Hof, der konventionell chemische Landwirtschaft betreibt. Das Element der Risikoteilung ist allen mir bekannten Systemen in den USA zu eigen.

Die Notwendigkeit eines solchen neuen sozialen Ansatzes in der Landwirtschaft ist so groß, daß während der acht Jahre, in denen ich nun in Nordamerika gelebt und gearbeitet habe, die Zahl der Gemeinschaftshöfe von null auf weit über 400 gestiegen ist. Gleichzeitig ist eine verwandte und sogar noch größere Bewegung in Japan entstanden und wächst immer mehr in Europa. Qualität und Erschwinglichkeit sind das Hauptthema.

Es ist ein bewiesenes Experiment, daß, wenn eine Gruppe von Menschen ihr Interesse nicht nur allein auf organisch angebaute Nahrung richtet, sondern auf konkrete gesunde Hoforganismen in ihrer Nachbarschaft, daß die Nahrung nicht teurer wird, sondern für jedermann erschwinglich. Der unausgesprochene Vertrag in einer Beziehung zwischen aktiven und nicht-tätigen Landwirten auf einem Gemeinschaftshof kann folgendermaßen beschrieben werden: „Ich als aktiver Landwirt verspreche dir, daß ich mich im Betreiben meiner Landwirtschaft nur von Grundsätzen leiten lasse, die aus dem Geist entspringen, und nicht von solchen, die aus dem Wunsch nach Geld entstehen. Ich werde dafür arbeiten, daß höchste Qualität erreicht wird.“ Der nicht-tätige Landwirt dagegen erklärt: „Wenn du dies wirklich tust, sind wir als nicht-tätige Landwirte der Gemeinschaft bereit, dein Risiko mitzutragen, dich auf jede mögliche Art zu unterstützen und deine Produktion vorzufinanzieren."

„Der Hof der Zukunft “ kann dann als Basis für drei verschiedene Ziele dienen:

  1. Ein geistig-erzieherisches Ziel: Die Kräfte, die in der Natur und im Hoforganismus wirken, immer besser zu verstehen.
  2. Ein soziales Ziel: Jedem Menschen, der es möchte, Zugang zu fruchtbarem Boden zu verschaffen als Mittel, seinen Lebensunterhalt zu sichern.
  3. Ein wirtschaftliches Ziel: Eine in ihrer Vielfalt ständig wachsende Produktion zu haben, die den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft angepaßt ist, während der Import von Energie und fremden Stoffen in den Hof immer mehr gegen Null strebt.


Dieses letzte Ziel, das erreicht werden kann und muß, ist die Grundlage eines fortdauernden menschlichen Lebens auf der Erde und des Schutzes unserer Umwelt.

Es gibt viele Details, die bei den „Höfen der Zukunft“ zu berücksichtigen sind. Einige davon sollen hier noch erwähnt werden.
Für die „Höfe der Zukunft“ ist es nötig, die Beziehung zwischen Mensch und Boden neu zu überdenken und Wege zu finden, vererbbare Eigentumsrechte in langfristige Bodennutzungsrechte umzuwandeln. Wir müssen die Beleihung von Land überwinden durch persönliche und gemeinschaftliche Kreditgarantien.

Obwohl bei rechtem Licht besehen Land- und Forstwirtschaft die einzigen produktiven Teile der Wirtschaft sind, müssen wir dennoch berücksichtigen, daß sie teure Investitionen in Maschinen und Gebäude nicht tragen können. Deshalb muß man soviel wie möglich selbst machen mit der Hilfe der Gemeinschaft und möglichst wenig von außen zukaufen. Und nochmal: Folgt der Führung des Geistes und nicht finanziellen Beweggründen und ihr werdet wahrhaft produktiv sein.

Wenn wir die Natur mit einem neuen Sinn für Wahrheit betrachten, wird sie klar und großzügig antworten, denn sie ist keine geist- und seelenlose Anhäufung von Molekülen, und wenn wir nach einem solidarischen und brüderlichen Geist unter den Menschen streben, werden wir in der Lage sein, die neuen sozialen Formen der „Höfe der Zukunft “ zu schaffen.

 

Farmen ohne Grenzen (Artikel aus info3 11/99)

Judith Krischik
Community Supported Agriculture – Farmen ohne Grenzen


In den USA gibt es niemanden, der sie nicht kennt: die Community Supported Farms, kurz CSAs genannt. Dabei ist die immer schneller wachsende Bewegung, die auf dem Gemeinschafts-Prinzip beruht, gerade einmal 15 Jahre alt. Der biologisch-dynamische Landwirt Trauger Groh hat entscheidend an ihrer Entstehung mitgewirkt.


Nichts gibt es in Amerika so im Überfluss wie Land; und der Amerikaner besitzt gern eigenes Land. Doch die Zeiten sind längst vorbei, wo er auch wusste, was er mit diesem Land anfangen soll. Entfernt man sich von den Städten und Vorstädten, trifft man auf für europäische Verhältnisse große, fast leere Grundstücke mit einem Wohnhaus und einer Garage in der Mitte umgeben von einigen Bäumen, Büschen und Blumen. Diesen Landüberschuss nutzt eine neue Bewegung für sich aus: die Community Supported Agriculture (CSA). Junge und mittellose, aber idealistische Gärtner und Farmer haben seit Mitte der achtziger Jahre damit begonnen, vernachlässigten Boden zu bewirtschaften. Ihnen kommt es dabei nicht aufs Geldverdienen an, sondern darauf, für Freunde, Familien in der Umgebung und sich selbst gesundes ökologisches oder biologisch-dynamisches Gemüse anzubauen. Häufig geschieht das auf dem Land einer dieser Familien, die froh ist, wenn es kultiviert wird und nicht brach liegen muss.
„Wenn jemand, der eine CSA gründen möchte, zu mir kommt und mich um Rat fragt“, macht. Trauger Groh zu Beginn seines Workshops auf der diesjährigen Herbsttagung der Biodynamic Farming and Gardening Association in Spring Volley, New York, deutlich, „frage ich ihn, ob er auch Freunde in der Umgebung hat. Ohne Freunde funktioniert keine CSA; ohne Vertrauen läuft nichts.“


Das heißt konkret, dass sich Familien zu Beginn des Jahres bereit erklären, die kalkulierten Ausgaben des Betriebes – die finanziellen Bedürfnisse des Gärtners inbegriffen – zu decken, lange bevor sie das erste Gemüse erhalten. Auch kann niemand vorhersehen, was die Saison bringen wird. Am Ende gibt es vielleicht gar keine Karotten, die man sich so sehnlichst wünschte, weil es einfach kein gutes Karottenjahr war.


Einige Initiativen fangen mit vielleicht zehn, zwanzig oder dreißig Familien an, doch damit sich das Unternehmen trägt, braucht es durchschnittlich fünfzig Familien. Nach oben ist keine Grenze gesetzt. Den Rekord bricht zur Zeit die erfolgreiche biologisch-dynamische Roxbury Farm im Hudson River Valley in New York Sie hat an die 600 CSA-Mitglieder. Ausgabestellen an drei verschiedenen Orten sichern die ungehinderte Auslieferung an ihre Mitglieder. Für ihre Familien in Manhattan nimmt sie gern eine zweistündige Autofahrt auf sich. So lief es zumindest noch bis vor kurzem. Doch haben private Veränderungen unter den Betreibern ihr Weiterexistieren in Frage gestellt.


Eine Bewegung ohne Form und Regeln
Der Beitrag einer Familie liegt irgendwo zwischen 400 und 900 Dollar pro Jahr; jeder weiteren Art von Unterstützung und Mitarbeit sind keine Grenzen gesetzt. Die Mitarbeit ist aber auch kein Muss. Manchmal entsteht auf Initiative der Familien ein Laden, der weiter Produkte neben den eigenen anbietet. Es gibt Hoffeste, Newsletters und vieles mehr. Man trifft sich ein- oder zweimal in der Woche beim Abholen seiner Lebensmittel. Was aus einem recht egoistischen Motiv heraus begann, nämlich dem Wunsch nach gesunder Ernährung für die eigene Familie, hat eine neue Form der Gemeinschaft entstehen lassen.


Sowenig wie es eine feste Struktur für die Einzelinitiative gibt, so wenig gibt es auch eine Struktur für die Bewegung, keine übergreifende Organisation etwa zählt oder registriert die CSA-Farmen. Die Universität von Massachusetts, die sich in einem sogenannten Extension-Programm der jungen Bewegung annimmt, schätzte die Zahl der CSAs im Januar 1999 auf 1.000. Andere Quellen sprechen von 500 oder 700. Doch niemand weiß, wie viele es wirklich sind. Eine andere Zahl spricht von mittlerweile 100.000 Haushalten, die in Nordamerika, Kanada eingeschlossen, durch CSAs versorgt werden. Die. knapp fünfzehn Jahre alte Bewegung hat sich wie ein Lauffeuer ausgebreitet und wächst ständig. Sie ist zu einer ernsthaften Konkurrenz für jeden Bioladen geworden, nicht nur, weil sie durch die Umgehung des Zwischenhändlers preislich attraktiver ist. Hier und da kommt es vor, dass die Karotten,die der eine an der Ostkiste zuviel hat, gegen Zitronen von einer anderen CSA aus Kalifornien getauscht werden. Für einige spiegelt sich in diesem Verknüpfen von Initiativen eine Zukunftsperspektive für die CSA-Bewegung wider; andere halten es schlicht für einen Verrat an der ursprünglichen Idee, die die regionale Selbstversorgung zum Ideal, erhebt.


Trauger Groh war von Anfang an mit der Community Supported Agriculture verbunden. Als er Anfang der achtziger Jahre von Deutschland in die USA umsiedelte, gründete er kurze Zeit später die Temple-Wilton Community Farm in New Hampshire. In der Waldorfschule von Wilton hatte sich ein Kreis von interessierten Familien gebildet, die den Neuankömmling baten, biologisch-dynamisches Gemüse für sie anzubauen.


Trauger Groh: „Ich habe ihnen damals geantwortet: Ich kann das für euch nicht anbauen; der Boden ist hier so schlecht. Ich weiß nicht, was da wachsen kann. Außerdem kann ich mich nicht auf euch verlassen, denn wenn ihr keine Zeit habt, geht ihr in den Supermarkt und ich sitze hier mit meinem Zeug.“ - Wir haben uns dann mehrere Male getroffen und nach einigen Sitzungen konnte ich ihnen sagen, was das erste Jahr kosten würde. ,Wenn ihr mit das garantieren könnt, fange ich an‘, war mein Vorschlag.“


Wer war zuerst?
Das war der Startschuss für die Temple-Wilton Community Farm. Im ersten Jahr machten etwa fünfzig Familien mit; heute sind es an die hundert. Ohne voneinander zu wissen, begann zur gleichen Zeit einige hundert Meilen südlich, in Great Barrington, Massachusetts, eine ähnliche Initiative, die Indian Line Farm. Sie ist mit dem Namen von Robyn Van En (gestorben 1997) verbunden, die den Begriff „Community Supported Agriculture“ prägte. Wenn Robyn Van En sich auch nicht für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise begeistern konnte, so geht auch ihre Initiative auf anthroposophische Wurzeln zurück. Der junge Gärtner Jan Vander Tuin hatte von einem Europaaufenthalt das Konzept des Gemüseabonnements mit in die Staaten zurückgebracht, das Robyn Van En voll Begeisterung aufnahm. Trauger Groh ist sich ziemlich sicher, dass er dieses in der biologisch-dynamischen Gärtnerei von Peter Berg in Lörrach kennengelernt haben muss.
Robyn Van En hatte wenig Glück mit ihrer eigenen Initiative, die verschiedene Metamorphosen durchlief Sie war jedoch genau die richtige Persönlichkeit, um den neuen Impuls voller Energie und Enthusiasmus von Mund zu Ohr durch die Lande ziehend zu verbreiten.


Trauger Groh dagegen hat mit seinem vor zehn Jahren erschienenen Buch Farms of Tomorrow dazu beigetragen, den Gedanken einer an der Gemeinschaft orientierten Landwirtschaft bekannt zu machen.

„Es ist eigentlich völlig belanglos, wer zuerst von uns da war“, meint Trauger Groh, der sich während unseres Gespräches in einem knarrenden Schaukelstuhl sitzend ab und zu eine Prise Schnupftabak zu Gemüte führt. „Meiner Meinung nach ist die Bewegung ganz von allein entstanden. Die Zeit war einfach reif dafür. Ich hatte andere Wurzeln als Robyn Van En. In Deutschland hatte ich Erfahrungen gesammelt mit ,freiem Boden‘, partnerschaftlicher Bewirtschaftung und dem Hereinnehmen von therapeutischen und erzieherischen Aufgaben in einen Hoforganismus.“


In seiner Heimat arbeitete Trauger Groh zuerst auf dem Hof seines Bruders, bevor er in den sechziger Jahren das Abenteuer Buschberghof in Fuhlenhagen bei Hamburg begann. Der Landwirt des Buschberghofes Carl-August Loss hatte ihn um Hilfe gebeten, weil er seinen großen Hof nicht mehr allein bewirtschaften konnte. Der alleinige Besitzanspruch auf den Hof stand jedoch einer partnerschaftlichen Bewirtschaftung entgegen. Da entschloss sich Carl August Loss, seinen Hof einer gemeinnützigen Gesellschaft in Form einer Schenkung zu übergeben, die den Partnern ein unbefristetes Nutzungsrecht einräumte.


Das löste beim Bauernverband einen Sturm aus. In den sechziger Jahren war es einfach noch ein Unding, einen unverschuldeten Hof, der gut und gerne eine Million DM wert war, einfach so abzugeben. Die Beteiligten landeten vor Gericht. Das Verfahren bescherte ihnen in den nächsten drei Jahren Kosten in Höhe von einer Viertel Million, bevor sich diese ungewöhnliche Schenkung durchsetzen konnte. Das Ergebnis war ein von drei Landwirten partnerschaftlich bearbeiteter Hof, auf dem das Risiko geteilt wurde.
Mit Wilhelm-Ernst Barkhoff (1916-1994), dem erfindungsreichen Sozialgestalter und Gründer der Gemeinschaftsbank in Bochum und Vater des anthroposophischen Bankwesens schlechthin, arbeiteten sie später in den siebziger Jahren ein vertiefendes Konzept aus; daraus entstand die noch heute existierende Landbauforschungsgesellschaft Buschberghof. Freier Boden, die Abschaffung des Lohnverhältnisses und die Öffnung des Hofes für andere Menschen gehörten von Anfang an zu ihren drei Grundprinzipien. Mit Wilhelm-Ernst Barkhoff kam nun die Landwirtschaftsgemeinschaft hinzu, die die Liquidität des Hofes über die Gemeinschaftsbank sicherte. Außerdem entstand das Modell der Defizitdeckung durch ihre Mitglieder. Dies führte zu Schwierigkeiten, als dann tatsächlich einmal um Weihnachten herum ein Defizit auftrat.


„Aber das war damals nicht so tragisch, das gehörte alles mit dazu“, erinnert sich Trauger Groh. „Es ging uns doch darum, mutig und moralisch phantasievoll neue Zukunftsmodelle in die Welt zu stellen. Bei der Verwirklichung von freiem Boden waren wir wirklich die ersten; unmittelbar danach kamen der Dottenfelderhof und die Bauckhöfe“, und er ergänzt fast stolz, dass er in seiner 43-jährigen Tätigkeit als Landwirt nie einen Quadratmeter Boden besessen hat.


Die Zeit in Deutschland war für ihn dann abgelaufen. Während einer Vortragsreise durch die USA lernte er seine zweite Frau kennen, die Obstanbauerin Alice Bennett. Auf ihrer kleinen Farm und auf weiteren benachbarten Parzellen entstand die berühmt gewordene Temple-Wilton Community Farm. Doch zuvor hatte Trauger Groh noch ein „Schlüsselerlebnis“, wie er es bezeichnet. Im Camphill-Dorf Copake traf er auf ein ungewöhnliches Modell zur Unterstützung der Landwirtschaft. Der dortige Landwirt erzählte ihm, dass er immer so frustriert gewesen sei, da die Haushalte des Dorfes über Einkäufe beim Hof dessen Kosten nicht deckten, insbesondere nicht die Kosten von notwendigen Investitionen. Auf seine Initiative hin habe man sich dann darauf geeinigt, dem Hof pro Kopf der Dorfbewohner einmal im Monat eine bestimmte Summe auszuzahlen.
Trauger Groh: „Als er mir das erzählte, hielt er hier kurz an und meinte dann zu mir: ,Und seitdem wächst es bier viel besser.‘ Er war auf einmal frei, das Richtige zu tun. Ich bin dann den Gedanken nicht mehr losgeworden, ob sich Menschen, die nicht in einer so engen Gemeinschaft wie einem Camphill-Dorf leben, nicht auf ähnliche Weise zusammenschließen könnten.“


Eine Bank müsste her

Es ist schon erstaunlich, was der CSA-Impuls in so kurzer Zeit alles in Bewegung gebracht hat. Während des Workshops in Spring Valley bedankt sich die Betreiberin einer CSA aus Ann Arbor bei Trauger Groh dafür, dass er ihnen vor zwölf Jahren bei dem Aufbau ihrer CSA geholfen habe. Jedoch hätten sie und ihr Mann sieben Jahre lang täglich zu ,ihrem‘ Land pendeln müssen, da nicht genügend Geld vorhanden gewesen wäre, um dort ein eigenes Haus zu bauen. Doch dann hätten ihre Mitglieder auf einmal begonnen, Geld für sie zu sammeln, was ihnen ein Haus vor Ort ermöglichte.


Der „Godfather“ der CSA-Bewegung, wie Trauger Groh sich mit einem Augenzwinkern bezeichnet, ist auch einer ihrer großen Kritiker. Seiner Meinung nach sind die Community Supported Farms langfristig keine Lösung für eine Landwirtschaft der Zukunft: „Sie ist keine gesunde Bewegung“, und bezieht sich damit auf ihre soziale und rechtliche Struktur. Für die jungen, engagierten Landwirte ist auf lange Sicht nicht gesorgt. Kaum jemand denkt an eine Kranken- oder Altersversicherung, wenn er in seinen zwanziger Jahren eine CSA beginnt. Den Staat interessiert das noch weniger – im Gegensatz etwa zu Deutschland, wo beide Versicherungen obligatorisch sind.


Die Frage des Bodeneigentums betreffend sind dagegen erste Lösungen sichtbar. Da der CSA- Betreiber nur in den seltensten Fällen selbst das Land besitzt, das er bewirtschaftet, sind an manchen Orten sogenannte Land Trusts entstanden, die das ihnen überführte Land gemeinnützig verwalten. Aber es sei immer noch sehr schwierig, so Trauger Groh, die Eigentümer dazu zu bewegen, ihr Land zu verschenken. Im sozialleistungsschwachen Amerika ist Land für viele der wichtigste Garant für ihre Altersversorgung.


Es ist keine Frage, dass hier noch eine Bank fehlt, die in Form von Landwirtschaftsfonds bereit ist, CSAs zu unterstützen. Wir kommen kurz auf Japan zu sprechen, wo nun schon seit etwa dreißig Jahren CSA-artige landwirtschaftliche Betriebe existieren. Dort spricht man von bereits 200.000 Haushalten, die CSA-versorgt sind. Von dem Beitrag, den ein Mitglied in Japan an seine CSA zahlt, geht ein kleiner Teil In einen Fonds ein, der den Landwirten zinsfreie Darlehen zur Verfügung stellt.


Die Japaner haben sich auch schon für Trauger Groh interessiert und vor einigen Jahren eine kleine Delegation zu ihm in die USA geschickt. Seitdem sein Buch ins Japanische und Koreanische übersetzt ist, hofft der Reiselustige, seine Einladung nach Japan bald einmal wahrnehmen zu können. Was in Nordamerika und Japan funktioniert, hält Trauger Groh im Blick auf Deutschland und Europa oft für nicht durchführbar. Das hat seiner Meinung nach einen geisteswissenschaftlichen Grund.


Trauger Groh: „In Mitteleuropa reagiert man auf alles mit der Frage: Ist das auch richtig? – und vergisst, dass es im Sozialen kein richtig oder falsch gibt. Denn das Soziale ist ,manmade‘. Die Amerikaner kennen das überhaupt nicht. Hier im Westen stellt man sich die Frage nach Leben oder Tod. Wenn etwas Leben hat, dann muss es auch richtig gewesen sein. Das ist grundsätzlich eine andere Einstellung. Die Amerikaner sind viel pragmatischer und eher bereit, einfach mal etwas auszuprobieren und zu sehen, was dabei herauskommt. Im Osten ist das wieder anders. Kommt man nach Russland, trifft man dort auf die Frage nach Gut oder Böse. Das macht Dostrojewski so schön deutlich.“


Auch in Bezug auf Russland spricht Trauger Groh aus eigener Erfahrung. Seit mehreren Jahren besucht er regelmäßig die Landwirtschaftliche Universität in Michurinsk. Die von einer amerikanischen Organisation gesponserte Lehrtätigkeit in Russland, aber auch ein Workshop wie der auf der biologisch-dynamischen Tagung entsprechen viel eher dem, wie sich der 67-jährige Landwirt seine Arbeit heute vorstellt. „Ich mag mich nicht mehr bücken und Unkraut jäten“, bekennt er zum Schluss unseres Gespräches und berichtet von einer geplanten Reise im Frühjahr nächsten Jahres, die ihn zu acht Waldorfschulen im Mittleren Westen führen wird. Dort wurde er gebeten, zu zeigen, wie man praktische Arbeit im Lebendigen an Boden, Pflanze und Tier für die gesunde Ernährung der Schüler einsetzen kann. „Das ist schon immer mein größtes Anliegen gewesen“.