Beim Geld hört der Spaß auf - Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft

Wenn eine Gemeinschaft ein Problem lösen will, dann werden so viele Lösungen gefunden, wie es Mitglieder in der Gemeinschaft gibt. Dies gilt auch für die Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft. Alle Teilnehmer haben eigene Vorstellungen davon, wie hoch der eigene Beitrag werden soll. Jeder will die Freiheit haben, eigene Entscheidungen dazu zu treffen. Doch es wird davon nicht nur das eigene Konto bei dieser Entscheidung betroffen, sondern auch das Konto der anderen.

Christoph Klemmer vom Hof Sophienlust bei Kiel, hielt auf der Gründungsversammlung der Wirtschaftsgemeinschaft am 26. Juni 1988 eine Ansprache, in der er darstellte, welche vier Seelenhaltungen nach Rudolf Steiner zur Lösung dieses Problems möglich sind. Diese Sichtweise hatte er aus seinen Erfahrungen bei der Gründung seines Hofes gewonnen und konnte sie entsprechend deutlich machen:


Es ist besonders schwierig, diese vierte Stufe zu erreichen, weil unsere Bequemlichkeit uns bei unserem Ego, bei Traditionen oder bei wirklichkeitsfremden Plänen verhaften läßt. Bei der Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft Buschberghof wurden die gleichen Erfahrungen gemacht.

In den Vereinbarungen der Wirtschaftsgemeinschaft ist zwar das Prinzip der Selbsteinschätzung der finanziellen Beiträge formuliert, allerdings soll auch ein Richtsatz empfohlen werden. Wie schon im vorangehenden Kapitel erwähnt, wurde in den Vorgesprächen ein Richtsatz empfohlen, der sich aus einem monatlichen Durchschnittsbetrag errechnete. Es wurde davon ausgegangen, dass im ersten Wirtschaftsjahr für einen „durchschnittlichen Verbraucher“ DM 120 monatlich zu zahlen wären.

Die meisten fühlten sich in der neugegründeten Selbstversorgergemeinschaft als normale durchschnittliche Esser. Kinder und Greise benötigen weniger als der Durchschnittsmensch, somit ist dessen Verbrauch höher. Dies wurde allerdings bei der freiwilligen Beitragsbemessung nicht berücksichtigt, da sich die meisten ja für durchschnittlich hielten. Als Folge war bereits im ersten Wirtschaftsjahr ein Defizit bei der Finanzierung des Hofes festzustellen, das aber durch Verkäufe im Hofladen mehr als ausgeglichen werden konnte.

Es war interessant im ersten Wirtschaftsjahr, das ja wegen des uneinschätzbaren Risikos mit der neuen Wirtschaftsform zweigleisig (Hofladen und SVG) gefahren wurde, dass die hofeigenen Abfälle aus Überproduktionen stark abnahmen. Was nicht im Hofladen absetzbar war, wurde innerhalb der SVG verteilt, mit der Folge, dass die Schweine nur mit Mühe ihr Schlachtgewicht erreichen konnten.

Als sich zu Beginn des zweiten Jahres die Selbstversorgergemeinschaft in Wirtschaftsgemeinschaft umbenannte und die volle Kapazität des Hofes beanspruchte, konnte nicht mit zusätzlichen Einnahmen aus dem Hofladen gerechnet werden, der war ja inzwischen geschlossen worden. Der Etatansatz lag in jenem Wirtschaftsjahr um DM 20.000 höher.

Mit einem neuen Richtsatz hatte sich die Mitgliederversammlung trotz ihrer Vereinbarungen nicht wieder beschäftigt. Im Gegenteil, als Richtsatz wurde empfohlen, keinen Richtsatz anzusetzen, im Vertrauen darauf, dass jeder seine Beitragshöhe selbst angemessen festsetzen konnte. Schnell aber wurde dann sichtbar, dass anhand der zugesagten und auch tatsächlich eingehenden Beiträge der Mitglieder der Finanzbedarf des Hofes nicht gedeckt werden konnte. Verschärfend kam noch hinzu, dass sich der Mitgliederbestand wegen der Schließung des Hofladens verdoppeln musste – dies konnte zwar erreicht werden – , aber der Beginn des Wirtschaftsjahres lag am 1. Juli, und die meisten neuen Mitglieder machten in diesem Monat Urlaub. Für sie war nicht einzusehen, dass für einen Monat Beiträge fällig wurden, in welchem sie keinen Nutzen von den Produkten hatten. Obwohl die Kühe besonders während der Sommerferien viel Milch geben und der übrigen Landwirtschaft auch in Ferienzeiten Kosten entstehen, bestand die alte Geld-Leistungs-Beziehung in den Köpfen der Mitglieder weiter.

In dieser Situation entschloß sich der Schatzmeister zu dem Schritt, neue Richtsätze zu empfehlen, die sich an den Sozialhilfesätzen orientierten. Bei einem Etatansatz von DM 420.000 für sollten sie für Erwachsene DM 150, für Schulkinder DM 100 und für Kleinkinder DM 50 betragen. Nach wie vor sollte es seiner Meinung nach bei der Selbsteinschätzung bleiben, aber die Richtsätze sollten möglichst nicht unterschritten werden, da sonst der Etat nicht zur Deckung kommen würde. Dies löste innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft eine Diskussionslawine aus, die bald eine ganze Ausgabe des „Buschberghofboten“ füllte. Alle Kritiker eines Richtsatzes waren sich einig, dass dieser die persönliche Freiheit einschränken und ein selbstständiges Denken verhindern würde. Brigitte Rebec beschrieb im „Buschberghofboten“ die Überlegungen, die zu einer angemessenen Bemessung der Beiträge führen und so einen Richtsatz überflüssig machen müssten:

„Es bedeutet, dass ich meine Zahlung nach dem Etat des Hofes richten muss, nach den finanziellen Verhältnissen der übrigen Mitglieder und nach meinen eigenen finanziellen Möglichkeiten. D.h. ich muss mich um den Finanzbedarf des Hofes kümmern und mich immer wieder über den Stand der tatsächlichen Deckung auf dem Laufenden halten. Desgleichen muss ich mir klar darüber werden, wieviel kann ich – unabhängig vom Gegenwert der erhaltenen Lebensmittel – zur Deckung des Haushalts beitragen. Bei dieser Einschätzung ist zu berücksichtigen, wie finanzstark die übrigen Mitglieder im Vergleich zu mir sind. Bei all diesem muss ich Eigenaktivität erbringen, selbst Verantwortung übernehmen und aus freien Stücken handeln.“

Die Diskussionen um Richtsätze dauern bis heute an. Man stimmt aber darin überein, dass sie eine Hilfe darstellen und man ohne sie nicht auskommt. Ein inzwischen gebildeter Finanzarbeitskreis hat neue (Jahres)Richtsätze beschlossen (Bei einer Etathöhe von DM 625.000 für 1998/99 DM: 3.360 DM für den ersten Teilnehmer eines Haushalts, 2.640 DM für den zweiten erwachsenen Teilnehmer, 780 DM für jedes teilnehmende Kind; diese Sätze sind Jahresbeiträge). Diese Richtsätze sind zwar nur Empfehlungen, sie können gern überschritten werden, bei Unterschreiten dieser Sätze soll jedoch auf jeden Fall mit dem Finanzarbeitskreis gesprochen werden. Die Definition als Jahresbeiträge soll das alte Missverständnis mit den Ferien verhindern und auch der Etat des Hofes ist ja ein Jahresetat. Alle sind sich jedoch einig, dass diese Richtsätze niemals die besonderen Verhältnisse in den einzelnen Haushalten erfassen und ein waches Bewußtsein für die finanziellen Belange der Gemeinschaft ersetzen können.

In den ersten beiden Jahren der Wirtschaftsgemeinschaft war noch kein Verfahren entwickelt, wie man die Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft durchführen sollte. Der Schatzmeister hatte ein Bankkonto auf seinen Namen eingerichtet, was die Wirtschaftsgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht konnte. Auf dieses Konto gingen dann in Monatsraten die Beiträge ein, und der Schatzmeister war damit beschäftigt, monatlich Hochrechnungen zu erstellen, ob das versprochene Geld auch wirklich ankam. Viele Mitglieder zahlten auch erst zum Monatsende, so dass es schnell zu finanziellen Engpässen kam. Auch hielten sich einige Mitglieder nicht an ihr Zahlungsversprechen oder an die Verpflichtung, ein ganzes Wirtschaftsjahr mitzumachen, wie sie es auf ihrer Erklärung angegeben hatten, die damals noch nicht unterschrieben werden musste. Hier musste also mehr Verbindlichkeit geschaffen werden.

Im Laufe der Geschichte der Wirtschaftsgemeinschaft hat sich inzwischen ein Verfahren herausgebildet, wie die Mitglieder vom Finanzbedarf des Hofes erfahren und wie sie sich ein Urteil über ihre eigene Beitragsleistung bilden können.

Bis Ende März ist man verpflichtet, anzugeben, ob man zum Ende des Wirtschaftsjahres ausscheiden will. Dies soll einen überblick geben, mit wie vielen Mitgliedern das neue Wirtschaftsjahr begonnen werden kann und ob man möglicherweise noch neue Mitglieder werben muss.

Mitte Mai erstellt die Landwirtschaftliche Buchstelle – der Steuerberater der Landwirte – einen vorläufigen Jahresabschluß, und die Landwirte addieren die geschätzten Kosten, die noch bis zum Ende des Wirtschaftsjahres am 30. Juni anfallen, hinzu. Auf diese Weise kann man die Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahres überblicken.

Nun wird versucht, auf der Grundlage des abgelaufenen Jahres zu ermitteln, welche der Kosten für das kommende Jahr anfallen. Dies wird in einem Plan den Mitgliedern etwa sechs Wochen vor der Jahreshauptversammlung zugeschickt. Beigefügt wird der neue Bogen für die Teilnahmeerklärung des neuen Jahres sowie ein erläuterndes Blatt mit fortgeschriebenen Richtsätzen. Auf der Rückseite der Teilnahmeerklärung und dem erläuternden Blatt sind die Vereinbarungen, gewissermaßen die Satzung, der Wirtschaftsgemeinschaft abgedruckt. Jetzt hat jeder Haushalt, der weiter teilnehmen möchte, die Zahlen zur Hand und kann sehen, wieweit sich der neue Etatansatz von den Kosten des alten Wirtschaftsjahres unterscheidet. Nun kann man entscheiden, welchen Jahresbeitrag man der Gemeinschaft für das nächste Jahr zusagen will. Natürlich spielt es auch eine Rolle, wieviel Geld man selbst hat. So kommt es dann zu einer Betragserhöhung, zu einer Senkung oder zu einem gleichbleibenden Beitrag.

Die Teilnahmeerklärung sollte dann dem Schatzmeister ausgefüllt zurückgeschickt werden, damit er eine Prognose für das kommende Jahr stellen kann. Dies klappte nicht immer, wie gewünscht. Oft zögern die Mitglieder ihr Beitragsgebot bis zum Tage der Jahreshauptversammlung hinaus oder füllen den Bogen erst während der Versammlung aus. Sind alle Gebote beisammen, werden sie addiert und die Summe dem Finanzbedarf des Hofes gegenübergestellt. Wenn sich geplante Kosten und geplante Beitragszahlungen gleichen, ist dieser Teil der Versammlung beendet und man kann sich anderen Themen zuwenden.

Die Teilnahme an der Jahreshauptversammlung ist für alle Teilnehmer verpflichtend. Wer verhindert ist, muss einen Vertreter schicken, der auch bevollmächtigt werden muss, für das Mitglied in finanziellen Fragen, etwa auch einer Erhöhung des Beitrages, zu entscheiden. Die Pflicht zur Teilnahme an der Versammlung ergibt sich daraus, dass am Ende die Finanzierung des abgelaufenen Jahres abgeschlossen werden kann und die des kommenden Jahres gesichert sein soll.

Unter Umständen reichen die Beitragszusagen nicht aus, den Finanzbedarf zu decken. Dann müssen die Mitglieder der Gemeinschaft entscheiden, ob sie ihre Beiträge erhöhen wollen. Es kommt dann zu einer zweiten Runde des Bietens, und das Ergebnis dieser Runde wird geprüft, ob es mit der ersten Runde zusammen das gewünschte Ziel erreicht.

Während der Bietrunden herrscht ein Klima starker Anspannung, sowohl bei den Bietern, als auch bei den Landwirten, denn es soll sich ja entscheiden, ob das nächste Wirtschaftsjahr finanziell abgesichert begonnen werden kann oder nicht. Beim Bieten kann man zwei Verhaltensweisen beobachten. Während die einen ihre finanziellen Möglichkeiten schon bei dem ersten Gebot voll ausschöpfen und bei der zweiten Runde mit leeren Händen dastehen, sind andere vorsichtiger, damit sie für die zweite Runde noch etwas dazuzulegen haben. In einigen Jahren reichte auch die zweite Bietrunde nicht aus, um das gewünschte Ziel zu erreichen, dann musste man sich aus Zeitgründen vertagen und die Jahreshauptversammlung nach den Sommerferien fortsetzen. In diesen Fällen herrscht natürlich eine große Unsicherheit bei den Landwirten, wie auch bei den Mitgliedern.

Wenn das gewünschte Ergebnis nicht erreicht wird, müssen die Landwirte ihrerseits prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, in ihrem Etatansatz Mittel einzusparen. Die Kalkulation ist aber so knapp bemessen, dass sich hieraus meist auch Einschränkungen für die Versorgung der Mitglieder ergeben. Zum Beispiel kann man die Kosten für das Schlachten senken, indem Vieh, statt für die Gemeinschaft geschlachtet zu werden, verkauft wird. Dann steht aber auch weniger Fleisch und Wurst zur Verteilung zur Verfügung, was bei den meisten Mitgliedern als Einbuße empfunden wird.

Das Wirtschaftsjahr 1999/2000 konnte nach der ersten Runde des Bietens begonnen werden, da die Gebote mit dem Etatansatz übereinstimmten.

In der Jahreshauptversammlung wird auch Rechenschaft über das abgelaufene Wirtschaftsjahr gelegt. In einigen Jahren wurden die Zahlungsversprechen der Wirtschaftsgemeinschaft aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt, so dass noch Nachzahlungen geboten werden mussten, in einem anderen Jahr ergab sich ein Überschuss, der dann an den gemeinnützigen Eigentümer, der Landbauforschungsgesellschaft, gespendet wurde, damit die Landwirte keine Gewinne zu machen brauchten, die dann versteuert werden müssten.











































Quellen:
Protokolle der Vertretertreffen und der Jahresversammlungen.
Buschberghofbote.
Pers. Mitteilungen, Hildebrandt K., Stränz, W.