Beim Geld hört
der Spaß auf - Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft
Wenn eine Gemeinschaft ein Problem lösen will, dann werden so viele Lösungen
gefunden, wie es Mitglieder in der Gemeinschaft gibt. Dies gilt auch für
die Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft. Alle Teilnehmer haben eigene Vorstellungen
davon, wie hoch der eigene Beitrag werden soll. Jeder will die Freiheit haben,
eigene Entscheidungen dazu zu treffen. Doch es wird davon nicht nur das eigene
Konto bei dieser Entscheidung betroffen, sondern auch das Konto der anderen.
Christoph Klemmer vom Hof Sophienlust bei Kiel, hielt auf der Gründungsversammlung
der Wirtschaftsgemeinschaft am 26. Juni 1988 eine Ansprache, in der er darstellte,
welche vier Seelenhaltungen nach Rudolf Steiner zur Lösung dieses Problems
möglich sind. Diese Sichtweise hatte er aus seinen Erfahrungen bei der
Gründung seines Hofes gewonnen und konnte sie entsprechend deutlich machen:
- Die erste
Stufe ist die Stufe unseres Egos. Hier wird nur der eigene Vorteil bedacht,
und unsere animalischen Triebe und Instinkte beherrschen unser Handeln.
- Auf der zweiten
Stufe, der Stufe der Gewohnheit, wird alles durch die Tradition geprägt.
Dat hebbt wi jümmers allns so makt, ist der Wahlspruch. Und
wenn es etwas Neues zu gestalten gibt, richtet man sich nach alten Vorbildern
und nach seinem Gefühl.
- Die dritte
Stufe des Intellekts wird durch die technokratische Verwirklichung von wirklichkeitsfremden
Plänen unseres Verstandes gekennzeichnet. Hier wird alles über einen
Leisten geschlagen, aber jeder wird über den Löffel barbiert.
- Erst auf
der vierten Stufe der Vernunft werden die eigenen Bedürfnisse an den
Bedürfnissen der anderen erkannt und definiert und in unserem Bewußtsein
verankert. Diese Stufe zu erringen und zu erhalten sollte das Ziel sein.
Es ist besonders schwierig, diese vierte Stufe zu erreichen, weil unsere Bequemlichkeit
uns bei unserem Ego, bei Traditionen oder bei wirklichkeitsfremden Plänen
verhaften läßt. Bei der Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft Buschberghof
wurden die gleichen Erfahrungen gemacht.
In den Vereinbarungen der Wirtschaftsgemeinschaft ist zwar das Prinzip der Selbsteinschätzung
der finanziellen Beiträge formuliert, allerdings soll auch ein Richtsatz
empfohlen werden. Wie schon im vorangehenden Kapitel erwähnt, wurde in den
Vorgesprächen ein Richtsatz empfohlen, der sich aus einem monatlichen Durchschnittsbetrag
errechnete. Es wurde davon ausgegangen, dass im ersten Wirtschaftsjahr für
einen durchschnittlichen Verbraucher DM 120 monatlich zu zahlen wären.
Die meisten fühlten sich in der neugegründeten Selbstversorgergemeinschaft
als normale durchschnittliche Esser. Kinder und Greise benötigen weniger
als der Durchschnittsmensch, somit ist dessen Verbrauch höher. Dies wurde
allerdings bei der freiwilligen Beitragsbemessung nicht berücksichtigt, da
sich die meisten ja für durchschnittlich hielten. Als Folge war bereits im
ersten Wirtschaftsjahr ein Defizit bei der Finanzierung des Hofes festzustellen,
das aber durch Verkäufe im Hofladen mehr als ausgeglichen werden konnte.
Es war interessant im ersten Wirtschaftsjahr, das ja wegen des uneinschätzbaren
Risikos mit der neuen Wirtschaftsform zweigleisig (Hofladen und SVG) gefahren
wurde, dass die hofeigenen Abfälle aus Überproduktionen stark abnahmen.
Was nicht im Hofladen absetzbar war, wurde innerhalb der SVG verteilt, mit der
Folge, dass die Schweine nur mit Mühe ihr Schlachtgewicht erreichen konnten.
Als sich zu Beginn des zweiten Jahres die Selbstversorgergemeinschaft in Wirtschaftsgemeinschaft
umbenannte und die volle Kapazität des Hofes beanspruchte, konnte nicht mit
zusätzlichen Einnahmen aus dem Hofladen gerechnet werden, der war ja inzwischen
geschlossen worden. Der Etatansatz lag in jenem Wirtschaftsjahr um DM 20.000 höher.
Mit einem neuen Richtsatz hatte sich die Mitgliederversammlung trotz ihrer Vereinbarungen
nicht wieder beschäftigt. Im Gegenteil, als Richtsatz wurde empfohlen, keinen
Richtsatz anzusetzen, im Vertrauen darauf, dass jeder seine Beitragshöhe
selbst angemessen festsetzen konnte. Schnell aber wurde dann sichtbar, dass anhand
der zugesagten und auch tatsächlich eingehenden Beiträge der Mitglieder
der Finanzbedarf des Hofes nicht gedeckt werden konnte. Verschärfend kam
noch hinzu, dass sich der Mitgliederbestand wegen der Schließung des Hofladens
verdoppeln musste dies konnte zwar erreicht werden , aber der Beginn
des Wirtschaftsjahres lag am 1. Juli, und die meisten neuen Mitglieder machten
in diesem Monat Urlaub. Für sie war nicht einzusehen, dass für einen
Monat Beiträge fällig wurden, in welchem sie keinen Nutzen von den Produkten
hatten. Obwohl die Kühe besonders während der Sommerferien viel Milch
geben und der übrigen Landwirtschaft auch in Ferienzeiten Kosten entstehen,
bestand die alte Geld-Leistungs-Beziehung in den Köpfen der Mitglieder weiter.
In dieser Situation entschloß sich der Schatzmeister zu dem Schritt, neue
Richtsätze zu empfehlen, die sich an den Sozialhilfesätzen orientierten.
Bei einem Etatansatz von DM 420.000 für sollten sie für Erwachsene DM 150,
für Schulkinder DM 100 und für Kleinkinder DM 50 betragen. Nach wie
vor sollte es seiner Meinung nach bei der Selbsteinschätzung bleiben, aber
die Richtsätze sollten möglichst nicht unterschritten werden, da sonst
der Etat nicht zur Deckung kommen würde. Dies löste innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft
eine Diskussionslawine aus, die bald eine ganze Ausgabe des Buschberghofboten
füllte. Alle Kritiker eines Richtsatzes waren sich einig, dass dieser die
persönliche Freiheit einschränken und ein selbstständiges Denken
verhindern würde. Brigitte Rebec beschrieb im Buschberghofboten
die Überlegungen, die zu einer angemessenen Bemessung der Beiträge führen
und so einen Richtsatz überflüssig machen müssten:
Es bedeutet, dass ich meine Zahlung nach dem Etat des Hofes richten muss,
nach den finanziellen Verhältnissen der übrigen Mitglieder und nach
meinen eigenen finanziellen Möglichkeiten. D.h. ich muss mich um den Finanzbedarf
des Hofes kümmern und mich immer wieder über den Stand der tatsächlichen
Deckung auf dem Laufenden halten. Desgleichen muss ich mir klar darüber werden,
wieviel kann ich unabhängig vom Gegenwert der erhaltenen Lebensmittel
zur Deckung des Haushalts beitragen. Bei dieser Einschätzung ist zu
berücksichtigen, wie finanzstark die übrigen Mitglieder im Vergleich
zu mir sind. Bei all diesem muss ich Eigenaktivität erbringen, selbst Verantwortung
übernehmen und aus freien Stücken handeln.
Die Diskussionen um Richtsätze dauern bis heute an. Man stimmt aber darin
überein, dass sie eine Hilfe darstellen und man ohne sie nicht auskommt.
Ein inzwischen gebildeter Finanzarbeitskreis hat neue (Jahres)Richtsätze
beschlossen (Bei einer Etathöhe von DM 625.000 für 1998/99 DM: 3.360
DM für den ersten Teilnehmer eines Haushalts, 2.640 DM für den zweiten
erwachsenen Teilnehmer, 780 DM für jedes teilnehmende Kind; diese Sätze
sind Jahresbeiträge). Diese Richtsätze sind zwar nur Empfehlungen, sie
können gern überschritten werden, bei Unterschreiten dieser Sätze
soll jedoch auf jeden Fall mit dem Finanzarbeitskreis gesprochen werden. Die Definition
als Jahresbeiträge soll das alte Missverständnis mit den Ferien verhindern
und auch der Etat des Hofes ist ja ein Jahresetat. Alle sind sich jedoch einig,
dass diese Richtsätze niemals die besonderen Verhältnisse in den einzelnen
Haushalten erfassen und ein waches Bewußtsein für die finanziellen
Belange der Gemeinschaft ersetzen können.
In den ersten beiden Jahren der Wirtschaftsgemeinschaft war noch kein Verfahren
entwickelt, wie man die Finanzierung der Wirtschaftsgemeinschaft durchführen
sollte. Der Schatzmeister hatte ein Bankkonto auf seinen Namen eingerichtet, was
die Wirtschaftsgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht konnte.
Auf dieses Konto gingen dann in Monatsraten die Beiträge ein, und der Schatzmeister
war damit beschäftigt, monatlich Hochrechnungen zu erstellen, ob das versprochene
Geld auch wirklich ankam. Viele Mitglieder zahlten auch erst zum Monatsende, so
dass es schnell zu finanziellen Engpässen kam. Auch hielten sich einige Mitglieder
nicht an ihr Zahlungsversprechen oder an die Verpflichtung, ein ganzes Wirtschaftsjahr
mitzumachen, wie sie es auf ihrer Erklärung angegeben hatten, die damals
noch nicht unterschrieben werden musste. Hier musste also mehr Verbindlichkeit
geschaffen werden.
Im Laufe der Geschichte der Wirtschaftsgemeinschaft hat sich inzwischen ein Verfahren
herausgebildet, wie die Mitglieder vom Finanzbedarf des Hofes erfahren und wie
sie sich ein Urteil über ihre eigene Beitragsleistung bilden können.
Bis Ende März ist man verpflichtet, anzugeben, ob man zum Ende des Wirtschaftsjahres
ausscheiden will. Dies soll einen überblick geben, mit wie vielen Mitgliedern
das neue Wirtschaftsjahr begonnen werden kann und ob man möglicherweise noch
neue Mitglieder werben muss.
Mitte Mai erstellt die Landwirtschaftliche Buchstelle der Steuerberater
der Landwirte einen vorläufigen Jahresabschluß, und die Landwirte
addieren die geschätzten Kosten, die noch bis zum Ende des Wirtschaftsjahres
am 30. Juni anfallen, hinzu. Auf diese Weise kann man die Kosten des abgelaufenen
Wirtschaftsjahres überblicken.
Nun wird versucht, auf der Grundlage des abgelaufenen Jahres zu ermitteln, welche
der Kosten für das kommende Jahr anfallen. Dies wird in einem Plan den Mitgliedern
etwa sechs Wochen vor der Jahreshauptversammlung zugeschickt. Beigefügt wird
der neue Bogen für die Teilnahmeerklärung des neuen Jahres sowie ein
erläuterndes Blatt mit fortgeschriebenen Richtsätzen. Auf der Rückseite
der Teilnahmeerklärung und dem erläuternden Blatt sind die Vereinbarungen,
gewissermaßen die Satzung, der Wirtschaftsgemeinschaft abgedruckt. Jetzt
hat jeder Haushalt, der weiter teilnehmen möchte, die Zahlen zur Hand und
kann sehen, wieweit sich der neue Etatansatz von den Kosten des alten Wirtschaftsjahres
unterscheidet. Nun kann man entscheiden, welchen Jahresbeitrag man der Gemeinschaft
für das nächste Jahr zusagen will. Natürlich spielt es auch eine
Rolle, wieviel Geld man selbst hat. So kommt es dann zu einer Betragserhöhung,
zu einer Senkung oder zu einem gleichbleibenden Beitrag.
Die Teilnahmeerklärung sollte dann dem Schatzmeister ausgefüllt zurückgeschickt
werden, damit er eine Prognose für das kommende Jahr stellen kann. Dies klappte
nicht immer, wie gewünscht. Oft zögern die Mitglieder ihr Beitragsgebot
bis zum Tage der Jahreshauptversammlung hinaus oder füllen den Bogen erst
während der Versammlung aus. Sind alle Gebote beisammen, werden sie addiert
und die Summe dem Finanzbedarf des Hofes gegenübergestellt. Wenn sich geplante
Kosten und geplante Beitragszahlungen gleichen, ist dieser Teil der Versammlung
beendet und man kann sich anderen Themen zuwenden.
Die Teilnahme an der Jahreshauptversammlung ist für alle Teilnehmer verpflichtend.
Wer verhindert ist, muss einen Vertreter schicken, der auch bevollmächtigt
werden muss, für das Mitglied in finanziellen Fragen, etwa auch einer Erhöhung
des Beitrages, zu entscheiden. Die Pflicht zur Teilnahme an der Versammlung ergibt
sich daraus, dass am Ende die Finanzierung des abgelaufenen Jahres abgeschlossen
werden kann und die des kommenden Jahres gesichert sein soll.
Unter Umständen reichen die Beitragszusagen nicht aus, den Finanzbedarf zu
decken. Dann müssen die Mitglieder der Gemeinschaft entscheiden, ob sie ihre
Beiträge erhöhen wollen. Es kommt dann zu einer zweiten Runde des Bietens,
und das Ergebnis dieser Runde wird geprüft, ob es mit der ersten Runde zusammen
das gewünschte Ziel erreicht.
Während der Bietrunden herrscht ein Klima starker Anspannung, sowohl bei
den Bietern, als auch bei den Landwirten, denn es soll sich ja entscheiden, ob
das nächste Wirtschaftsjahr finanziell abgesichert begonnen werden kann oder
nicht. Beim Bieten kann man zwei Verhaltensweisen beobachten. Während die
einen ihre finanziellen Möglichkeiten schon bei dem ersten Gebot voll ausschöpfen
und bei der zweiten Runde mit leeren Händen dastehen, sind andere vorsichtiger,
damit sie für die zweite Runde noch etwas dazuzulegen haben. In einigen Jahren
reichte auch die zweite Bietrunde nicht aus, um das gewünschte Ziel zu erreichen,
dann musste man sich aus Zeitgründen vertagen und die Jahreshauptversammlung
nach den Sommerferien fortsetzen. In diesen Fällen herrscht natürlich
eine große Unsicherheit bei den Landwirten, wie auch bei den Mitgliedern.
Wenn das gewünschte Ergebnis nicht erreicht wird, müssen die Landwirte
ihrerseits prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, in ihrem Etatansatz
Mittel einzusparen. Die Kalkulation ist aber so knapp bemessen, dass sich hieraus
meist auch Einschränkungen für die Versorgung der Mitglieder ergeben.
Zum Beispiel kann man die Kosten für das Schlachten senken, indem Vieh, statt
für die Gemeinschaft geschlachtet zu werden, verkauft wird. Dann steht aber
auch weniger Fleisch und Wurst zur Verteilung zur Verfügung, was bei den
meisten Mitgliedern als Einbuße empfunden wird.
Das Wirtschaftsjahr 1999/2000 konnte nach der ersten Runde des Bietens begonnen
werden, da die Gebote mit dem Etatansatz übereinstimmten.
In der Jahreshauptversammlung wird auch Rechenschaft über das abgelaufene
Wirtschaftsjahr gelegt. In einigen Jahren wurden die Zahlungsversprechen der Wirtschaftsgemeinschaft
aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt, so dass noch Nachzahlungen
geboten werden mussten, in einem anderen Jahr ergab sich ein Überschuss,
der dann an den gemeinnützigen Eigentümer, der Landbauforschungsgesellschaft,
gespendet wurde, damit die Landwirte keine Gewinne zu machen brauchten, die dann
versteuert werden müssten.
Quellen:
Protokolle der Vertretertreffen und der Jahresversammlungen.
Buschberghofbote.
Pers. Mitteilungen, Hildebrandt K., Stränz, W.